Haushaltsrede 2025 30. Dezember 202430. Dezember 2024 Sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin, sehr geehrter Herr Bezirkstagspräsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir nehmen den Kämmerer in seiner Schlussbetrachtung beim Wort und unterstreichen seine Einschätzung, dass sich der Bezirk in einem Dilemma befindet, da ich zitiere „er einerseits mit stark steigenden Kosten im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Pflichtaufgaben zu kämpfen hat, er andererseits aber zur Finanzierung dieser Aufgaben auf Umlagezahlungen der Landkreise und kreisfreien Städte angewiesen ist.“ Die derzeitige Finanzierung der Bezirke, die sich nur aus Zuweisungen des Staates und den genannten Umlagen speist, manövriert sich zunehmend in eine Sackgasse. In konjunkturschwachen Zeiten mit sinkenden Steuereinnahmen verschärft sich diese ungute umlagenbasierte Abhängigkeit. Ein Blick auf die anderen Bezirke zeigt, wohin die Entwicklung geht: Umlagesteigerungen von 3-4%, keinerlei eigene Gestaltungsspielräume mehr, Investitionen bei null oder nur noch über Schulden. Und wir in Unterfranken steuern im nächsten Jahr auch genau auf eine solche Situation zu. Wir hatten gehofft, dass sich der Landtag bei der Überarbeitung der BezO im Juni 2024 im Art. 54 auch mit einer Neuordnung der Bezirksfinanzen beschäftigt, was leider nicht passiert ist. Die lange geforderte quotale Beteiligung am Steuerverbund hätte zu einer gerechteren Aufteilung der FAG Mittel an die kommunale Familie führen können. Die Bezirke würden damit gleichgestellt und die toxische Abhängigkeit hätte ein Ende. Aber dazu bräuchte es auch den Schulterschluss und die Unterstützung der Städte, Gemeinden und Landkreise.Auch der Brandbrief der 7 Bezirkstagspräsidenten an den Ministerpräsidenten die Bezirke auskömmlicher zu finanzieren, verhallte nahezu ungehört. Die zusätzlich gewährten FAG- Mittel basieren auf einem Deal. Die Bezirke sollen sie 1:1 an die Umlagezahler weiterreichen, damit die Umlagen nicht so hoch ausfallen müssen. Zur Finanzierung der steigenden Sozialausgaben gab es kein zusätzliches Geld, obwohl der Freistaat Milliarden in der Rücklage hat. Wir verstehen durchaus, dass in finanziell klammen Zeiten die Umlagezahler geschont werden sollen. Wir hören landauf landab die Klagen der Kommunen, die ihre Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen können, die marode Schulen und zu wenig Kitaplätze haben. Wir stimmen deshalb auch zu, dass der Bezirk zur Umlagensenkung seine Rücklagen abräumt, seine Investitionen nahezu auf null fährt und künftig über Kredite finanzieren wird. Und natürlich sind die Städte, Gemeinden und Landkreise unsere Partner, mit denen wir verantwortungsvoll und vertrauensvoll zusammenarbeiten wollen. Daneben hat der Bezirk aber noch andere Partner. Unsere Wohlfahrtsverbände, die im Wesentlichen die gesetzlichen Sozialaufgaben leisten und auch die brauchen eine auskömmliche Finanzierung. Der Präsident hat mit der Einberufung des Sozialgipfels diesen Sommer ein wichtiges Format zum Informationsaustausch geschaffen. Er wollte wissen, wo der Schuh drückt und er bekam reichlich Antwort. Da wäre das PflewoqG, das den Heimen und deren Träger gehörig an die Substanz geht und dringend einer Neubewertung oder Aussetzung bedarf. Jetzt verkündet der Bayerische Bezirketag stolz: „…nach wiederholten Interventionen auf diversen politischen Ebenen hat das zuständige Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege endlich einer ersten Anpassung zugestimmt“. Wir Bezirke haben das erreicht. Und jetzt brauchen wir eine zügige und nachhaltige Umsetzung der Gestaltungsspielräume, die die neue AVPfleWoqG eröffnet, und eine klare Kommunikation an die Heimaufsichten bzw. FQA. Das bekannte Stift in Eisingen hat mit den FQA schmerzhafte, fast existenzielle Erfahrungen gemacht und wird die Aktivitäten des Ministeriums genau verfolgen.Aber da wären auch die regionalen SPDIs, die neben ihrer klassischen Arbeit mittlerweile unersetzlich sind für die Krisendienste und die aufsuchende Arbeit. Als aktuelles Beispiel hat das BRK in Würzburg trotz seiner traditionell guten Verbindungen zur CSU beschlossen, seinen SPDI in der Zellerau aufzugeben. Obwohl wir sogar im Haushalt den Beitrag für das SPDI des BRK erhöhen, reicht das immer noch nicht, um die Kosten zu decken. Wir müssen aufpassen, dass uns solche Strukturen nicht noch mehr wegbrechen. Die Caritas hat wegen der mangelhaften Refinanzierung schon im Frühsommer zusätzlich mit der Schließung mehrerer Einrichtungen in Unterfranken gedroht. Keine guten Nachrichten kommen auch von der AWO: das Inklusionshotel in Markbreit, ein Modellprojekt mit 50 % Beschäftigten mit Behinderung, wurde geschlossen. Die geriatrische Rehabilitation in Würzburg war trotz Vollbelegung seit Jahren nicht mehr kostendeckend und musste abgegeben werden. Was passiert, wenn uns diese Leistungserbringer wegbrechen? Wer hat dann die Zuständigkeit? Wer übernimmt dann die Verantwortung? Was passiert mit den Menschen, die dort betreut werden bzw. dort seit vielen Jahren engagiert arbeiten? Das sind Fragen, die nicht nur wir uns stellen müssen, sondern auch das Land und eigentlich die ganze Gesellschaft. Sollten wir uns nicht alle fragen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen und welche Versorgung wir uns für uns selber vorstellen? Immer wieder hören wir in diesem Zusammenhang die Worte Strukturreform oder Anspruchsdenken. Was heißt das denn? Sind es zu hohe Ansprüche, wenn Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben führen wollen, so wie wir alle. Natürlich brauchen sie dazu Assistenzen, um das zu ermöglichen und auch ein Wohnraumangebot außerhalb des Heimes. Haben wir uns nicht alle der UNBRK verpflichtet, auch der Freistaat Bayern? Und was bedeutet Strukturreform? Reden wir wirklich von Strukturen oder nicht doch eher von Finanzen besser gesagt von Finanzkürzungen? Holger Kiesel, Beauftragter der bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, formulierte es zum Internationalen Tag von Menschen mit Behinderung am 3. Dezember so: „Gerade in Krisenzeiten dürfen Inklusion und Barrierefreiheit nicht zur Disposition stehen, sondern müssen vorbehaltslos gestärkt werden. Sie müssen jenseits von jeder Geld-und Personalknappheit als unumstößliche Grundüberzeugungen Teil des politischen und gesellschaftlichen Handels sein“. Besser kann man es nicht formulieren. Und wer, wenn nicht wir Bezirke sollten für diese Grundüberzeugung kämpfen? Gestatten sie mir noch ein Wort zu den Krankenhäusern. Wir finden es gut, dass die Krankenhausreform den Bundesrat passiert hat und es weitergeht trotz aller Kritik. Es geht weiter und das ist gut so. Nicht die Reform hat die Krise im Gesundheitswesen verursacht, sondern es waren die Versäumnisse vieler Vorgängerregierungen und beteiligter Verbände, oft auch der Landesregierungen. Alle sind jetzt aufgerufen, jetzt konstruktiv an der Reform mitzuarbeiten und ihren Beitrag zu leisten. Nur meckern, hilft niemanden. Wir fordern vom Freistaat eine aussagekräftige Krankenhausplanung und kluge und sachdienliche Vorschläge.Auch unsere Häuser geraten mehr und mehr in Schwierigkeiten. Alle planen in 2025 mit einem Defizit. Bisher konnten die Defizite von den Häusern selber ausgeglichen werden. Sie kommen aber zunehmend an ihre Grenzen. Wichtige Investitionen sind künftig aus eigenen Mitteln nicht mehr finanzierbar. Viele Häuser warten seit Jahren auf Genehmigungsbescheide des Freistaates. Die Investitionsförderung des Landes ist viel zu niedrig und müsste dringend aufgestockt werden, gerade für das KLH müssen wir das einfordern. An dieser Stelle bedanken wir uns von ganzem Herzen für den unermüdlichen Einsatz unserer Ärzt:innen, unserem Pflegepersonal und allen anderen Beschäftigten, die unter diesen schwierigen Bedingungen jeden Tag zur Arbeit gehen und hilfesuchenden Menschen beistehen. Wir sind für den Haushalt 2025 noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Dank des Griffs in die Rücklage konnten wir die Umlage auf 20 Punkte begrenzen und haben im Vergleich mit den anderen Bezirken die mit Abstand niedrigste Umlage. Wir danken dem Kämmerer und seinem Team für das umfangreiche Zahlenwerk. Der Bezirk ist weiterhin eine Säule des sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Lebens in Unterfranken. Seine weit über 4000 Mitarbeiter:innen garantieren einen wesentlichen Teil des gesellschaftlichen Zusammenhalts in der Region. Die demokratischen Parteien im Bezirkstag sollten sich einig sein, dass wir alle den populistischen und rechtsextremen Angriffen auf die Rechte der Menschen mit Behinderung und anderen vermeintlicher Minderheiten mit aller Entschlossenheit entgegentreten. Wir wünschen Ihnen allen frohe Weihnachten, einen guten Rutsch ins neue Jahr.Bleiben Sie gesund und zuversichtlich. Wir stimmen dem Haushalt mit allen Anlagen zu. Vielen Dank!